Veröffentlicht am März 15, 2024

Der grösste Fehler bei BCM-Plänen ist der Glaube an Vollständigkeit. Ein im Chaos funktionierender Notfallplan ist radikal reduziert, visuell und rollenbasiert.

  • Ersetzen Sie Textwüsten durch laminierte, farbcodierte „Aktionskarten“ für spezifische Rollen.
  • Identifizieren Sie kritische Prozesse mit einem schnellen „24-Stunden-Ausfall-Sprint“ statt mit einer monatelangen Business Impact Analyse.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich darauf, was eine Person unter Stress in fünf Minuten verstehen und umsetzen kann. Alles andere ist im Ernstfall Ballast.

Als Business Continuity Manager kennen Sie das Dilemma: Sie investieren Wochen, vielleicht Monate, in die Erstellung eines umfassenden Notfallplans. Das Ergebnis ist ein 100-seitiges Dokument, das stolz im Regal steht – ein sogenannter „Papiertiger“. Es erfüllt alle Audit-Anforderungen, doch tief im Inneren wissen Sie: Wenn morgen um 3 Uhr nachts ein Serverraum brennt oder ein Cyberangriff das Netzwerk lahmlegt, wird niemand dieses Handbuch lesen. Im Stress greift das menschliche Gehirn auf einfache, eingeübte Muster zurück. Komplexe Texte werden zu einer unüberwindbaren Barriere.

Die gängige Lehre predigt Vollständigkeit: detaillierte Business Impact Analysen (BIA), endlose Risiko-Matrizen und minutiöse Systembeschreibungen. Diese Elemente haben ihre Berechtigung in der Planungsphase, aber sie sind Gift für die operative Notfallbewältigung. Das Problem ist nicht, dass diese Pläne falsche Informationen enthalten. Das Problem ist, dass sie für den Schreibtisch konzipiert sind, nicht für das Chaos. Sie sind für den Auditor geschrieben, nicht für den gestressten Mitarbeiter, der eine schnelle, klare Anweisung braucht.

Doch was, wenn der wahre Schlüssel zu einem wirksamen Notfallplan nicht in der Erweiterung, sondern in der radikalen Reduktion liegt? Dieser Artikel bricht mit der traditionellen Lehre der Vollständigkeit. Er zeigt Ihnen einen pragmatischen, anwendungsorientierten Weg, wie Sie BCM-Pläne erstellen, die auf menschliches Verhalten unter Druck zugeschnitten sind. Wir werden untersuchen, wie visuelle Aktionskarten Prosa ersetzen, wie Sie die wirklich kritischen Prozesse ohne bürokratische Analysen identifizieren und wie Sie sicherstellen, dass Ihre Pläne auch dann zugänglich sind, wenn die IT-Infrastruktur bereits ausgefallen ist.

Es geht darum, den Fokus von der Dokumentation auf die Anwendbarkeit zu verlagern. Ziel ist ein BCM-System, das im Ernstfall eine echte Stütze ist und nicht nur eine weitere Belastung darstellt. Denn die effektivste Reaktion auf Chaos ist nicht mehr Information, sondern maximale Klarheit.

Dieser Leitfaden führt Sie durch die entscheidenden Aspekte, um Ihre Notfallpläne von theoretischen Dokumenten in praxistaugliche Werkzeuge zu verwandeln. Entdecken Sie, wie Sie die häufigsten Fallstricke vermeiden und ein robustes BCM für Ihr Schweizer Unternehmen aufbauen.

Checkliste statt Prosa: Warum niemand im Notfall lange Texte liest?

Im Krisenfall schaltet unser Gehirn in einen Modus, der als „kognitive Tunnelvision“ bekannt ist. Die Fähigkeit, komplexe Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, sinkt dramatisch. Ein 50-seitiger Notfallplan im PDF-Format ist in diesem Zustand so nützlich wie ein Lexikon in einem brennenden Haus. Die Realität ist ernüchternd: Obwohl die Vorbereitung essenziell ist, verfügen laut einer Studie rund 40% der Schweizer KMU über keinen Notfallplan. Von den bestehenden Plänen sind viele aufgrund ihrer Komplexität in der Praxis unbrauchbar.

Der pragmatische Ansatz lautet daher: Ersetzen Sie Prosa durch klare, visuelle Handlungsanweisungen. Das Konzept der „Aktionskarten“ hat sich hier als revolutionär erwiesen. Anstelle eines einzigen, monolithischen Dokuments erstellen Sie laminierte, rollenbasierte Karten im A4- oder A5-Format. Jede Rolle im Krisenstab – vom IT-Verantwortlichen bis zum Kommunikationschef – erhält nur die für sie relevanten Informationen.

Diese Aktionskarten nutzen visuelle Hilfsmittel, um die Verständlichkeit unter Stress zu maximieren:

  • Farbcodierung: Rot für kritische Sofortmassnahmen (z.B. „Systeme vom Netz trennen“), Gelb für sekundäre Aktionen (z.B. „Zulieferer informieren“) und Grün für nachgelagerte Aufgaben.
  • Piktogramme und Icons: Universell verständliche Symbole für Aktionen wie „Anrufen“, „Evakuieren“ oder „Prüfen“ überwinden Sprachbarrieren und beschleunigen die Erfassung.
  • Eine-Seite-Regel: Jedes spezifische Szenario (z.B. Stromausfall, Cyberangriff) wird auf einer einzigen Seite zusammengefasst. Die wichtigsten Schritte sind sofort ersichtlich.

Der entscheidende Vorteil dieses Systems liegt in seiner Einfachheit. Eine Aktionskarte beantwortet drei simple Fragen: Wer bin ich? Was sind meine drei wichtigsten ersten Schritte? Wen muss ich als Nächstes kontaktieren? Dieser Fokus auf das absolut Notwendige verwandelt einen passiven „Papiertiger“ in ein aktives, im Chaos funktionierendes Werkzeug.

Analog oder Digital: Wo lagern Sie den Notfallplan, wenn der Server brennt?

Ein perfekt konzipierter Notfallplan ist wertlos, wenn er im Ernstfall nicht zugänglich ist. Die Frage der Lagerung ist daher keine logistische Nebensächlichkeit, sondern ein zentraler Pfeiler Ihrer BCM-Strategie. Stellen Sie sich das Worst-Case-Szenario vor: Ein Brand zerstört Ihren Serverraum, ein Hochwasser flutet das Büro oder ein Ransomware-Angriff verschlüsselt alle Ihre digitalen Dokumente. Wo ist Ihr Plan jetzt?

Die Antwort liegt in der Redundanz, die durch die bewährte 3-2-1-Regel perfekt beschrieben wird. Diese Regel, ursprünglich aus der Datensicherung stammend, lässt sich ideal auf die Lagerung Ihrer BCM-Dokumente anwenden:

  • 3 Kopien: Halten Sie mindestens drei Exemplare Ihres Notfallplans vor.
  • 2 verschiedene Medien: Speichern Sie die Kopien auf mindestens zwei unterschiedlichen Medientypen.
  • 1 externer Speicherort: Bewahren Sie mindestens eine Kopie an einem geografisch getrennten, externen Ort auf.

Für Ihre Notfallpläne bedeutet das konkret, eine Mischung aus digitalen und analogen Kopien zu pflegen. Eine digitale Kopie auf dem Firmenserver ist der Standard, aber sie allein reicht nicht aus. Ergänzen Sie diese durch eine Kopie auf einem sicheren Cloud-Speicher, idealerweise bei einem Anbieter mit Serverstandort in der Schweiz, um Datenschutzbedenken zu minimieren. Als zweite Medienart kommt das gute alte Papier ins Spiel. Gedruckte Exemplare der wichtigsten Aktionskarten und Kontaktlisten sind unverzichtbar.

3-2-1-Regel für BCM-Dokumente: Visualisierung sicherer Lagerungsorte

Der externe Speicherort ist Ihre letzte Verteidigungslinie. Hierfür eignen sich verschiedene Optionen: Ein Bankschliessfach, das Heimbüro des Krisenstabsleiters oder ein anderer Unternehmensstandort. Wichtig ist, dass dieser Ort nicht von denselben Risiken (z.B. Hochwasser, regionaler Stromausfall) betroffen ist wie Ihr Hauptstandort. Die Kombination aus einem zugriffsgeschützten USB-Stick und einem ausgedruckten Kern-Set an Dokumenten in einer feuerfesten Mappe ist eine robuste Lösung für den externen Speicherort.

Das Risiko veralteter Telefonlisten: Wie halten Sie Kontaktdaten im BCM aktuell?

Eine der häufigsten und gefährlichsten Schwachstellen in Notfallplänen ist eine veraltete Kontaktliste. Was nützt der beste Plan, wenn Sie im entscheidenden Moment die Mitglieder des Krisenstabs, externe Dienstleister oder wichtige Behörden nicht erreichen können? Eine Telefonnummer, die sich vor drei Monaten geändert hat, kann im Ernstfall Stunden kosten und den Schaden erheblich vergrössern. Das Risiko ist real: Gemäss der Cyberstudie 2024 der FHNW wurden in den letzten drei Jahren hochgerechnet 24’000 Schweizer KMU Opfer schwerwiegender Cyberangriffe. Eine schnelle Reaktion, basierend auf korrekten Kontaktdaten, ist hier überlebenswichtig.

Das Kernproblem liegt in der Natur statischer Dokumente. Eine Telefonliste in einem ausgedruckten PDF ist in dem Moment veraltet, in dem sie gedruckt wird. Mitarbeiter wechseln die Abteilung, verlassen das Unternehmen oder ändern ihre Mobilnummer. Die manuelle Pflege solcher Listen ist eine Sisyphusarbeit und extrem fehleranfällig.

Die Lösung besteht darin, das Konzept des „Single Point of Truth“ (SPOT) zu etablieren. Anstatt Kontaktinformationen an mehreren Orten zu duplizieren (im BCM-Plan, im Intranet, in lokalen Excel-Listen), sollten sie an einem einzigen, zentralen Ort gepflegt werden, auf den alle anderen Systeme zugreifen. Dies kann sein:

  • Das zentrale HR-System: Hier werden Mitarbeiterdaten ohnehin aktuell gehalten. Eine Schnittstelle kann die relevanten Daten für das BCM bereitstellen.
  • Eine dedizierte Alarmierungs-App: Professionelle Tools für die Krisenkommunikation ermöglichen es den Mitarbeitern oft, ihre Kontaktdaten selbst zu pflegen, und bieten robuste Alarmierungskaskaden.
  • Ein Active Directory oder ein ähnlicher Verzeichnisdienst: Für interne Kontakte ist dies oft die zuverlässigste Quelle.

Ihr Notfallplan sollte nicht die Daten selbst enthalten, sondern den Verweis auf die Quelle. Die „Aktionskarte“ für die Alarmierung könnte lauten: „Öffne App X und löse Alarmgruppe ‚Krisenstab‘ aus“ oder „Kontaktiere die Mitglieder gemäss der aktuellen Liste im HR-Portal unter Link Y“. Dies stellt sicher, dass immer die aktuellsten Daten verwendet werden. Für die absolut kritischen Kontakte (z.B. CEO, IT-Leiter) kann eine kleine, physisch vorhandene Liste als redundantes Backup dienen, die aber vierteljährlich explizit validiert werden muss.

Wie identifizieren Sie Prozesse, ohne die Ihr Unternehmen keine 24 Stunden überlebt?

Die traditionelle Business Impact Analyse (BIA) ist oft ein monatelanges, bürokratisches Unterfangen. Man befragt Dutzende von Abteilungen, füllt komplexe Formulare aus und erstellt umfangreiche Abhängigkeitsanalysen. Am Ende steht zwar ein detailliertes Dokument, aber die wirklich überlebenswichtigen Prozesse sind oft unter einem Berg von Informationen begraben. Der pragmatische Ansatz fragt anders: „Was bricht uns innerhalb von 24 Stunden das Genick?“

Praxisbeispiel: Der „24-Stunden-Ausfall-Sprint“ Workshop

Anstatt einer theoretischen BIA setzen führende BCM-Berater auf eine agile Workshop-Methode. Laden Sie die Leiter der Schlüsselabteilungen (IT, Produktion, Finanzen, Vertrieb) für zwei Stunden in einen Raum. Die Aufgabe: Simulieren Sie einen Totalausfall aller Systeme. Jeder Teilnehmer notiert auf Post-its die drei einzigen Aktivitäten, die seine Abteilung unternehmen würde, um den unmittelbaren Schaden für das Unternehmen zu begrenzen und einen Minimalbetrieb aufrechtzuerhalten. Die anschliessende Diskussion dieser Post-its enthüllt ohne lange Analysen die wahren Abhängigkeiten und die absolut kritischen Prozesse.

Diese Methode zwingt die Teilnehmer, Prioritäten zu setzen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Statt zu fragen „Wie wichtig ist Prozess X?“, lautet die Frage „Können wir 24 Stunden ohne Prozess X überleben?“. Das Ergebnis ist eine kurze, fokussierte Liste von Prozessen, die die Grundlage für Ihren Wiederanlaufplan bilden.

Zur besseren Einordnung lässt sich die Kritikalität von Geschäftsprozessen grob nach ihrer maximal tolerierbaren Ausfallzeit kategorisieren, wie eine aktuelle Analyse der Prozesskritikalität zeigt. Diese Kategorisierung hilft, die im Workshop identifizierten Prozesse zu strukturieren.

Kritikalität von Geschäftsprozessen nach Ausfallzeit
Prozesstyp Maximale Ausfallzeit Finanzielle Auswirkung/Stunde Beispiel Schweizer KMU
Überlebenswichtig 0-4 Stunden >10’000 CHF Zahlungsverkehr Finanzdienstleister
Geschäftskritisch 4-24 Stunden 2’000-10’000 CHF Produktion Uhrenindustrie
Wichtig 1-3 Tage 500-2’000 CHF Kundenservice
Standard >3 Tage <500 CHF Buchhaltung, Reporting

Indem Sie die Ergebnisse des „Ausfall-Sprints“ mit einer solchen Tabelle abgleichen, erhalten Sie schnell ein klares Bild Ihrer Prioritäten. Sie konzentrieren Ihre Ressourcen auf die Wiederherstellung der „überlebenswichtigen“ und „geschäftskritischen“ Prozesse und vermeiden es, sich in der Optimierung weniger wichtiger Abläufe zu verlieren.

Was tun, wenn nicht Sie, sondern Ihr wichtigster Schweizer Zulieferer ausfällt?

Ihre eigene Vorbereitung kann noch so gut sein – wenn ein kritischer Lieferant ausfällt, stehen Ihre Bänder möglicherweise trotzdem still. In der eng vernetzten Schweizer Wirtschaft sind Abhängigkeiten in der Lieferkette ein erhebliches, oft unterschätztes Risiko. Ein Brand beim einzigen Lieferanten für ein Spezialbauteil, ein IT-Ausfall beim Logistikpartner oder die Insolvenz eines wichtigen Dienstleisters kann Ihr eigenes Unternehmen lahmlegen. Business Continuity Management muss daher über die eigenen vier Wände hinausgehen.

Der erste Schritt ist die Transparenz. Wissen Sie, welche Ihrer Lieferanten „Single Points of Failure“ sind? Haben Sie für diese strategischen Partner Alternativen evaluiert? Eine geografische Diversifizierung ist hier ein Schlüsselfaktor. Wenn Ihr Hauptlieferant im Kanton Zürich ansässig ist, sollte ein potenzieller Ersatzlieferant idealerweise in einer anderen Region der Schweiz, z.B. in der Romandie, beheimatet sein, um regionale Katastrophen (z.B. grossflächige Stromausfälle, Naturereignisse) abzufedern.

Geografische Cluster-Risiken bei Schweizer Lieferanten visualisiert

Aktives Management dieser Risiken ist unerlässlich. Binden Sie BCM-Anforderungen direkt in Ihre Verträge ein. Klauseln, die sich auf das Schweizer Obligationenrecht (OR) beziehen und klare Wiederanlaufzeiten (Recovery Time Objectives, RTOs) definieren, sind keine übertriebene Vorsicht, sondern professionelles Risikomanagement. Fordern Sie von Ihren strategischen Partnern einen Nachweis über deren BCM-Pläne und führen Sie regelmässige Audits durch, um deren Wirksamkeit zu überprüfen.

Aktionsplan: Audit Ihrer Schweizer Lieferkette

  1. Punkte identifizieren: Listen Sie alle kritischen Lieferanten und deren Notfall-Kontaktpunkte systematisch auf. Wer ist Ihr Ansprechpartner im Krisenfall?
  2. Unterlagen sammeln: Fordern Sie bestehende BCM-Pläne, Zertifikate (z.B. ISO 22301) und vertraglich festgelegte Wiederanlaufzeiten (RTOs) Ihrer wichtigsten Lieferanten an und inventarisieren Sie diese.
  3. Kohärenz prüfen: Gleichen Sie die RTOs Ihrer Lieferanten mit den Anforderungen Ihrer eigenen kritischen Prozesse ab. Besteht eine gefährliche Lücke zwischen dem, was Sie brauchen, und dem, was der Lieferant zusichert?
  4. Risiken bewerten: Identifizieren Sie geografische Cluster-Risiken (z.B. alle wichtigen Lieferanten im selben Industriegebiet) und Single-Source-Abhängigkeiten. Gibt es Alternativen in anderen Kantonen oder im nahen Ausland?
  5. Integrationsplan erstellen: Verankern Sie BCM-Klauseln in neuen Verträgen, planen Sie regelmässige BCM-Audits und führen Sie gemeinsame Notfallübungen mit Ihren strategisch wichtigsten Partnern durch.

Ihre unternehmerische Resilienz ist nur so stark wie das schwächste Glied in Ihrer Lieferkette. Ein proaktiver Ansatz schützt Sie vor bösen Überraschungen und stärkt Ihre Position im Wettbewerb.

Diesel-Aggregat oder Batterie-USV: Was überbrückt Schweizer Stromausfälle zuverlässiger?

Obwohl das Schweizer Stromnetz als eines der stabilsten der Welt gilt, sind kurze Unterbrechungen oder Spannungsschwankungen keine Seltenheit. Längere Ausfälle, verursacht durch extreme Wetterereignisse, technische Defekte oder gar Cyberangriffe auf die Netzinfrastruktur, sind ein reales Risiko mit potenziell verheerenden Folgen. Die Frage ist also nicht, ob Sie eine Notstromversorgung benötigen, sondern welche Lösung für Ihr KMU die richtige ist.

Praxis bei Schweizer KMU: Die Rolle der USV

In der Schweiz dient eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) primär dazu, kurze Ausfälle von wenigen Minuten zu überbrücken, damit kritische Systeme wie Server und Produktionsanlagen weiterlaufen. Bei einem längeren Ausfall gibt die USV den Systemen genügend Zeit für ein kontrolliertes, sauberes Herunterfahren. Dies verhindert Datenverlust und Hardwareschäden. Da längere Stromausfälle historisch selten sind, war eine klassische Batterie-USV für viele Schweizer Unternehmen bisher eine ausreichende und pragmatische Lösung.

Die Entscheidung zwischen einer Batterie-USV und einem Diesel-Aggregat hängt von Ihrem spezifischen Schutzbedarf ab. Eine USV bietet eine sofortige, lautlose Überbrückung für Minuten bis zu einer Stunde. Ein Diesel-Aggregat kann Ihr Unternehmen über Tage mit Strom versorgen, benötigt aber eine Anlaufzeit, mehr Platz und verursacht Lärm sowie Emissionen.

Die Kosten sind ein wesentlicher Faktor. Ein Vergleich, basierend auf Daten für Schweizer Unternehmen, hilft bei der Einordnung der Investition, wie eine Analyse von Gryps.ch zu den Kosten von USV-Anlagen verdeutlicht.

Kostenvergleich USV vs. Diesel-Aggregat für Schweizer KMU
Kriterium Batterie-USV Diesel-Aggregat Hybrid-Lösung
Anschaffungskosten (50 MA) 15’000-20’000 CHF 25’000-35’000 CHF 30’000-40’000 CHF
Überbrückungsdauer 15-60 Minuten 24-72 Stunden Sofort + langfristig
Wartungskosten/Jahr 1’500 CHF 2’500 CHF 3’000 CHF
Lärmemissionen Nahezu lautlos 65-85 dB(A) Variabel
Platzbedarf 2-4 m² 10-15 m² 12-18 m²
Bewilligungen Schweiz Keine Kantonale Auflagen Kantonale Auflagen

Für viele KMU stellt eine Hybrid-Lösung den besten Kompromiss dar: Eine USV schützt vor kurzen Ausfällen und sorgt für ein sauberes Herunterfahren, während ein gemietetes oder geteiltes Diesel-Aggregat für das seltene Szenario eines mehrtägigen Blackouts im Hintergrund bereitsteht. Beachten Sie unbedingt die kantonalen Auflagen für den Betrieb von Diesel-Aggregaten bezüglich Lärm- und Umweltschutz.

Wie schreiben Sie einen Wiederherstellungsplan, der auch nachts um 3 Uhr funktioniert?

Ein Wiederherstellungsplan ist der operative Teil Ihres BCM. Er muss von einer Person, die durch einen Alarm aus dem Schlaf gerissen wurde, unter hohem Stress und mit begrenzten Informationen sofort verstanden und umgesetzt werden können. Fachjargon, komplexe Satzstrukturen und vage Anweisungen sind hier absolut tabu. Der Plan muss so einfach und klar sein wie eine Checkliste im Flugzeug-Cockpit.

Der Schlüssel dazu ist eine rollenbasierte Strukturierung. Anstatt den Plan nach Systemen („Anleitung zur Wiederherstellung von Server X“) zu gliedern, strukturieren Sie ihn nach den verantwortlichen Personen oder Teams („Checkliste für den diensthabenden IT-Administrator“). Jede Person liest nur das für sie relevante Kapitel und muss nicht erst lange nach ihren Aufgaben suchen. Ein solcher Plan zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Visuelle Anleitungen: Integrieren Sie Screenshots von Benutzeroberflächen und geben Sie exakte Befehle an, die kopiert und eingefügt werden können.
  • Klare Alarmierungskaskaden: Definieren Sie eine „Wer-weckt-wen“-Kette mit primären Ansprechpartnern und deren Stellvertretern, inklusive verschiedener Kontaktwege (Telefon, SMS, App).
  • Abschnitt „Häufige Fehler“: Bauen Sie einen Bereich ein, der auf typische Fallstricke hinweist (z.B. „Prüfen Sie ZUERST die Integrität des Backups, bevor Sie mit der Wiederherstellung beginnen!“).
  • Einfache Sprache: Verwenden Sie kurze, aktive Sätze. Lassen Sie den Plan von einer fachfremden Person gegenlesen. Wenn diese Person die Anweisungen nicht versteht, ist der Plan zu kompliziert.
  • Regelmässige Tests: Führen Sie unangekündigte Nacht-Tests der Alarmierungskette und einzelner Wiederherstellungsschritte durch, um die Praxistauglichkeit zu überprüfen.

Standards wie der BSI 200-4 bieten hier wertvolle Orientierung, da sie speziell darauf ausgelegt sind, auch kleineren Unternehmen einen pragmatischen Einstieg zu ermöglichen. Wie Christoph Thiel, Experte für Business Continuity Management beim TÜV NORD, anmerkt:

Schon der Vorgänger BSI 100-4 ist ein sehr guter Standard, der allerdings schon einige Jahre alt ist. Mit dem neuen BSI-Standard 200-4 wurde einiges weiter verbessert und kommt kleinen Unternehmen entgegen.

– Christoph Thiel, TÜV NORD

Ein guter Wiederherstellungsplan ist ein lebendiges Dokument. Er wird nach jeder Übung und jedem realen Vorfall überarbeitet und verbessert. Er ist nie „fertig“, sondern wird kontinuierlich an die sich ändernden Gegebenheiten angepasst.

Das Wichtigste in Kürze

  • Reduzieren statt Erweitern: Ersetzen Sie lange Textdokumente durch visuelle, rollenbasierte „Aktionskarten“, die im Stress sofort verständlich sind.
  • Dynamische Daten pflegen: Verlassen Sie sich nicht auf statische Kontaktlisten. Etablieren Sie einen „Single Point of Truth“ (z.B. HR-System, Alarmierungs-App) für alle Kontaktdaten.
  • In Paketen denken: Priorisieren Sie den Wiederanlauf nicht nach Einzelsystemen, sondern in logischen „Wiederanlauf-Paketen“ (z.B. Kommunikation, Minimalbetrieb, Normalbetrieb).

Wie priorisieren Sie den Wiederanlauf Ihrer Systeme nach einem Totalausfall?

Nach einem Totalausfall ist die Versuchung gross, alles gleichzeitig wiederherstellen zu wollen. Dies führt unweigerlich zu Chaos, Ressourcenkonflikten und Verzögerungen. Eine klare Priorisierung ist der entscheidende Faktor für einen geordneten und schnellen Wiederanlauf. Die Frage lautet: Was muss zuerst laufen, damit das Unternehmen überlebt, und was kann warten?

Hier hilft es, nicht in einzelnen Systemen, sondern in „Wiederanlauf-Paketen“ zu denken. Diese Pakete bündeln Systeme und Prozesse, die logisch voneinander abhängig sind, um eine bestimmte Geschäftsfähigkeit wiederherzustellen. Ein typisches Stufenmodell könnte so aussehen:

  • Paket 1: Überleben (0-2 Stunden): Dieses Paket hat absolute Priorität und stellt die grundlegende Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit sicher. Dazu gehören: interne und externe Kommunikation (E-Mail, Telefonie), Netzwerk-Grundlagen und die IT-Sicherheitssysteme zur Analyse des Vorfalls.
  • Paket 2: Minimalbetrieb (2-8 Stunden): Hier geht es darum, die umsatzkritischsten Prozesse wieder zum Laufen zu bringen. In einem Produktionsbetrieb wäre dies das ERP-System zur Auftragsabwicklung; im E-Commerce der Webshop.
  • Paket 3: Normalbetrieb (8-24 Stunden): Dieses Paket umfasst wichtige, aber nicht unmittelbar überlebenswichtige Systeme wie die Buchhaltung, das CRM oder Business-Intelligence-Anwendungen.
  • Paket 4: Vollbetrieb (24-72 Stunden): Hierunter fallen alle restlichen Systeme, die für den vollständigen Geschäftsbetrieb notwendig sind, aber eine geringere Priorität haben, z.B. Marketing-Tools, Entwicklungs- oder Archivsysteme.

Dieser Ansatz schafft Klarheit und ermöglicht es den IT-Teams, sich auf ein Ziel nach dem anderen zu konzentrieren. Er unterscheidet auch klar zwischen Business Continuity Management (BCM), das den gesamten Prozess des Minimalbetriebs umfasst, und Disaster Recovery (DR), das sich primär auf die technische Wiederherstellung der IT-Systeme in den Paketen konzentriert.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterstützt diesen gestuften Ansatz ebenfalls, indem es zwischen einem reaktiven BCMS (Fokus auf schnelle Wiederaufnahme) und einem umfassenderen, präventiven BCMS unterscheidet. Für den Anfang ist die Konzentration auf die reaktive Wiederherstellung der Pakete 1 und 2 der pragmatischste Weg.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihre bestehenden Pläne nicht zu erweitern, sondern zu reduzieren. Der erste Schritt zu einem wirksamen BCM ist oft das konsequente Streichen von allem, was im Chaos nicht gelesen wird. Konzentrieren Sie sich auf Klarheit und Anwendbarkeit, um im Ernstfall wirklich vorbereitet zu sein.

Geschrieben von Thomas Ritz, Zertifizierter Business Continuity Manager (CBCI) und Kriseninterventions-Spezialist. Er unterstützt Unternehmen beim Aufbau resilienter Notfallorganisationen und leitet Krisenstäbe bei Cyber-Vorfällen und physischen Katastrophen.