Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Entgegen der Annahme sichert nicht der CEO die Handlungsfähigkeit in der Krise, sondern ein diszipliniertes, operatives System, das im Voraus implementiert wird.

  • Die Rolle des CEO ist strategisch, nicht operativ. Ein vorgängig definierter Krisenstabsleiter führt den Einsatz.
  • Physische und prozessuale Redundanz (analoge Krisenräume, trainierte Entscheidungsmethoden) sind die Versicherung gegen Chaos und Panik.

Empfehlung: Trainieren Sie nicht nur Krisenpläne, sondern den Ausfall der Geschäftsleitung selbst. Nur so wird die wahre Resilienz Ihrer Organisation sichtbar.

In der ersten Stunde einer Krise werden die Weichen für Erfolg oder Desaster gestellt. Der Druck auf die Führung ist immens, die Informationslage unklar und jede Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Viele Führungskräfte glauben, in diesem Moment durch persönliche Präsenz und entschlossenes Handeln die Kontrolle behalten zu können. Sie übernehmen das operative Kommando, treffen schnelle Entscheidungen und versuchen, an allen Fronten gleichzeitig zu sein. Dieser Ansatz ist nicht nur ineffizient, er ist gefährlich. Der Glaube, dass ein einzelner Held – oft der CEO – das Schiff durch den Sturm steuern kann, ist ein Relikt aus einer Zeit, in der Krisen langsamer und linearer verliefen.

Die Realität moderner, vielschichtiger Krisen, wie sie laut einer Studie von PwC bei 38% der Schweizer CEOs zum Alltag gehören, erfordert einen radikal anderen Ansatz. Es geht nicht um Improvisation, sondern um Systematik. Es geht nicht um Bauchgefühl, sondern um prozessuale Disziplin. Die wahre Herausforderung liegt nicht darin, die Krise zu managen, sondern den Krisenstab so vorzubereiten, dass er wie ein präzises Uhrwerk funktioniert, selbst wenn die oberste Führungsebene ausfällt. Die entscheidende Frage lautet daher: Haben Sie ein System geschaffen oder verlassen Sie sich auf die heroische Anstrengung einzelner Personen?

Dieser Leitfaden bricht mit traditionellen Vorstellungen. Er zeigt Ihnen, basierend auf militärisch erprobten Prinzipien und angepasst an die Schweizer Unternehmenslandschaft, wie Sie eine Struktur aufbauen, die in der kritischen „Golden Hour“ nicht nur reagiert, sondern souverän agiert. Wir werden die Rollenverteilung, die notwendige Infrastruktur, die Entscheidungsprozesse und die Kommunikation diszipliniert analysieren, um Ihren Krisenstab von einer reaktiven Gruppe zu einer proaktiven Einsatzeinheit zu transformieren.

Der folgende Artikel ist strukturiert, um Ihnen einen klaren, schrittweisen Überblick über die entscheidenden Komponenten eines effektiven Krisenmanagements zu geben. Jede Sektion behandelt einen kritischen Aspekt, von der personellen Besetzung bis zu den Werkzeugen, die im Ernstfall den Unterschied ausmachen.

Warum der CEO im Krisenstab oft nicht der beste Krisenmanager ist?

Die Vorstellung des CEOs als Kapitän, der das Ruder im Sturm selbst in die Hand nimmt, ist tief in unserer Unternehmenskultur verankert. Doch in einer realen Krise ist diese Haltung ein strategischer Fehler. Der CEO hat eine übergeordnete Verantwortung: die langfristige Vision und die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu sichern. Eine operative Führungsrolle im Krisenstab bindet ihn an kurzfristige, taktische Entscheidungen und raubt ihm die nötige Distanz, um das grosse Ganze im Blick zu behalten – Investoren, den Verwaltungsrat, die langfristigen Reputationsfolgen und die strategische Neuausrichtung nach der Krise.

Ein CEO im operativen Modus neigt dazu, die etablierte Befehlskette zu durchbrechen. Anweisungen werden direkt an Spezialisten gegeben, was den designierten Krisenstabsleiter untergräbt und zu Chaos führt. Die eigentliche Aufgabe des CEO ist es, den Krisenstab zu befähigen, nicht, ihn zu führen. Er muss dem Leiter des Stabes das Vertrauen aussprechen, die notwendigen Ressourcen bereitstellen und als oberste strategische Instanz für Entscheidungen zur Verfügung stehen, die die Existenz des Unternehmens betreffen.

Die Krise bei Zurich Financial Services in den frühen 2000er Jahren hat gezeigt, was von der Führung wirklich gefordert ist.

Fallstudie: Zurich Financial Services Krisenbewältigung (2001-2003)

In einer existenziellen Krise waren für die Führungskräfte drei Fähigkeiten entscheidend: rasches Handeln mit klaren Prioritäten, inspirierendes Wirken auf andere und die Schaffung von Vertrauen durch direkte Interaktion mit den Mitarbeitern. Der Fokus lag auf der Sicherung des Überlebens und dem Setzen klarer Prioritäten, nicht auf der Mikromanagement-Ebene des Krisenstabs.

Die effektivste Struktur ist daher klar: Ein vorgängig ernannter Krisenstabsleiter – eine Person mit ausgewiesener Führungserfahrung unter Druck, exzellenten Prozesskenntnissen und dem Respekt der Organisation – führt den operativen Stab. Der CEO bleibt in seiner strategischen Rolle, schützt die Reputation des Unternehmens nach aussen und trifft nur die fundamentalsten Richtungsentscheidungen. Diese Trennung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von strategischer Reife.

Wie richten Sie einen Krisenraum ein, der auch bei totalem Stromausfall funktioniert?

Ein moderner Krisenraum, vollgepackt mit digitalen Dashboards und Videokonferenzsystemen, ist beeindruckend. Doch seine Achillesferse ist die Abhängigkeit von Strom und IT-Infrastruktur. Ein grossflächiger Stromausfall (Blackout), ein Cyberangriff, der die Netze lahmlegt, oder schlicht ein lokaler Ausfall können Ihren hochtechnisierten „War Room“ in Sekunden in einen nutzlosen Raum verwandeln. Die wahre Resilienz eines Krisenraums bemisst sich an seiner Funktionsfähigkeit im schlimmstmöglichen Szenario. Das bedeutet: Sie brauchen ein analoges Backup-System.

Ein autarker Krisenraum basiert auf dem Redundanzprinzip. Neben der digitalen Infrastruktur muss eine komplette analoge Ausrüstung bereitstehen, die keine externe Energiequelle benötigt. Das beginnt bei der Beleuchtung (Taschenlampen, Notleuchten) und geht bis zu den Kommunikations- und Arbeitsmitteln. Physische, laminierte Dokumente sind im Ernstfall Gold wert, da sie unempfindlich gegenüber technischen Störungen sind. Die Vorbereitung eines solchen Raumes ist eine konkrete Massnahme des Business Continuity Managements (BCM).

Analoger Krisenraum mit Notfallausrüstung für Stromfallszenarien in der Schweiz

Die Abbildung zeigt die Essenz eines solchen analogen Setups. Es geht um physische Werkzeuge, die eine strukturierte Lagebeurteilung und Kommunikation ermöglichen. Dazu gehören insbesondere Whiteboards für die Visualisierung des Lagebilds, physische Karten der relevanten Gebiete – in der Schweiz unerlässlich für Logistik und Personalverschiebungen – und manuelle Dokumentationsvorlagen. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Einrichtung eines sekundären Krisenraums an einem geografisch getrennten Ort, idealerweise in einem anderen Kanton, um bei einem lokalen Grossereignis handlungsfähig zu bleiben.

Ein wesentlicher Teil der analogen Ausrüstung ist das Notfall-Toolkit. Es enthält alles, was der Stab zum Überleben und Arbeiten benötigt:

  • Laminierte Kontaktlisten aller Krisenstabsmitglieder und externen Stellen (Behörden, Blaulichtorganisationen)
  • Physische Schweizer Generalkarten für alle relevanten Kantone
  • Whiteboards mit abwischbaren und wasserfesten Stiften
  • Eine Bargeldreserve in Schweizer Franken für unbürokratische Notfallzahlungen
  • Satellitentelefone als unabhängige Alternative zum nationalen POLYCOM-Netz

Bauchgefühl oder Fakten: Welche Methodik verhindert Panikentscheidungen im Stab?

Unter dem enormen Druck der „Golden Hour“ ist die grösste Gefahr die Panikentscheidung. Ad-hoc-Reaktionen, basierend auf unvollständigen Informationen oder emotionalem Bauchgefühl, führen fast immer zu Fehlern, die die Krise verschlimmern. Um dies zu verhindern, braucht der Krisenstab keine heldenhaften Einzelentscheider, sondern eine eisenharte Entscheidungsdisziplin, die durch eine im Voraus definierte und trainierte Methodik erzwungen wird. Diese Methodik dient als Leitplanke und stellt sicher, dass alle Entscheidungen nachvollziehbar, faktenbasiert und strukturiert getroffen werden.

Der Zweck einer solchen Methodik ist es, den Prozess von der Person zu entkoppeln. Sie zwingt den Stab, systematisch Informationen zu sammeln (Lagebild), Optionen zu bewerten, Risiken abzuwägen und eine klare Entscheidung zu fällen und zu kommunizieren. In der Schweiz haben sich, oft mit Ursprung im Militär oder in der Aviatik, verschiedene Modelle etabliert. Die Wahl des Modells ist sekundär; entscheidend ist, dass eine Methodik konsequent angewendet und regelmässig geübt wird. Swiss Infosec AG betont in ihrer Praxis, dass eine gute Ausbildung und regelmässige Trainings unabdingbar für eine systematische Krisenbewältigung sind.

Die folgende Tabelle vergleicht gängige Methoden, die im Schweizer Kontext relevant sind und die helfen, Gruppendenken zu vermeiden und eine strukturierte Analyse zu gewährleisten.

Vergleich von Methoden zur Krisenentscheidung
Methodik Anwendungsbereich Vorteile Schweizer Kontext
Militärischer Führungsrhythmus Strukturierte Krisenbewältigung Klare Prozessschritte Standard in der Schweizer Armee
FOR-DEC Aviatik/Medizin Schnelle Entscheidungsfindung Standard bei Swiss/Rega
SPIN Projektmanagement Situationsanalyse KMU-tauglich
Advocatus Diaboli Gruppendynamik Vermeidet Gruppendenken Korrektur zur Konsenskultur

Besonders der militärische Führungsrhythmus etabliert einen konstanten Zyklus aus Lagebeurteilung, Befehlsgebung und Kontrolle, der dem Stab eine klare Struktur gibt. Die FOR-DEC-Methode (Facts, Options, Risks/Benefits, Decision, Execution, Check) aus der Luftfahrt ist ideal für schnelle, kritische Einzelentscheidungen. Die Integration eines „Advocatus Diaboli“ – einer Person, die systematisch jede Entscheidung in Frage stellt – ist zudem ein wirksames Mittel, um die typisch schweizerische Konsenskultur herauszufordern und blinde Flecken aufzudecken.

Das fatale „No Comment“: Wie Sie den Ruf Ihrer Firma in 5 Minuten zerstören

In der modernen Medienlandschaft ist Schweigen keine Option. Die einstige „Golden Hour“, die einem Unternehmen etwa 60 Minuten Zeit für eine erste Reaktion gab, existiert nicht mehr. Durch Social Media und die 24/7-Nachrichtenzyklen hat sich dieses Zeitfenster auf wenige Minuten reduziert. Eine Analyse zum Golden-Hour-Prinzip zeigt, dass die Erwartungshaltung eine quasi sofortige Kommunikation verlangt. Ein „No Comment“ oder ein zu langes Zögern wird als Schuldeingeständnis oder als Versuch der Vertuschung interpretiert. Das Informationsvakuum, das Sie hinterlassen, wird sofort von anderen gefüllt – mit Gerüchten, Spekulationen und Falschinformationen. Sie verlieren die Deutungshoheit über die Ereignisse, bevor Sie überhaupt begonnen haben zu kommunizieren.

Die erste Kommunikation muss nicht alle Antworten enthalten. Ihr primäres Ziel ist es, zu zeigen, dass Sie die Situation ernst nehmen, die Kontrolle haben und sich kümmern. Eine erste Stellungnahme sollte drei Elemente enthalten: Empathie für mögliche Betroffene zeigen, bestätigen, dass ein Vorfall stattgefunden hat und man an der Aufklärung arbeitet, und den nächsten Kommunikationszeitpunkt ankündigen. Dies schafft Vertrauen und verschafft Ihnen die nötige Zeit für eine fundierte Analyse.

In einem mehrsprachigen Land wie der Schweiz ist die Komplexität noch höher. Eine Krisenkommunikation nur auf Deutsch vernachlässigt die Romandie und das Tessin und signalisiert mangelnden Respekt. Eine professionelle Vorbereitung umfasst daher zwingend die Erstellung von vorbereiteten Holding Statements in allen Landessprachen (DE, FR, IT), die juristisch geprüft sind. Diese können im Ernstfall sofort angepasst und publiziert werden. Ein weiterer entscheidender Grundsatz lautet: Interne Kommunikation hat Vorrang vor externer. Ihre Mitarbeiter dürfen nicht aus den Medien erfahren, was in ihrem Unternehmen vor sich geht.

Eine effektive Krisenkommunikation in der Schweiz erfordert eine präzise, regional abgestimmte Vorgehensweise:

  • Designieren Sie regionale Sprecher für jede Sprachregion, um Nähe und Verständnis zu signalisieren.
  • Pflegen Sie proaktiv Kontakte zu den kantonalen Schlüsselmedien (z.B. 24 Heures, Tages-Anzeiger, Corriere del Ticino).
  • Nutzen Sie die nationale Nachrichtenagentur Keystone-SDA als zentralen Multiplikator für Ihre Botschaften.
  • Richten Sie ein Social Media Monitoring für alle Landessprachen ein, um die Stimmung in Echtzeit zu erfassen.

Wann haben Sie das letzte Mal ein Szenario geübt, bei dem die Geschäftsleitung ausfällt?

Krisenstabsübungen konzentrieren sich oft auf technische oder operative Herausforderungen: ein Brand, ein Produktrückruf, ein IT-Ausfall. Doch das gefährlichste und oft am wenigsten geübte Szenario ist der Ausfall der strategischen Führungsebene. Was passiert, wenn der CEO und seine direkten Stellvertreter gleichzeitig nicht erreichbar sind – sei es durch einen Unfall, eine plötzliche Krankheit oder weil sie sich an einem Ort ohne Kommunikation befinden (z.B. während eines Flugs)? Wenn in diesem Moment keine klaren Stellvertreterregelungen und Entscheidungskompetenzen definiert und trainiert sind, ist das Unternehmen führungslos und dem Chaos ausgeliefert.

Eine realistische Krisenübung muss genau diesen Fall simulieren. Sie muss den Krisenstab unter maximalen Stress setzen, indem sie die gewohnten Ansprechpartner und Entscheidungsträger gezielt aus dem Spiel nimmt. Nur so wird sichtbar, ob die zweite und dritte Führungsebene in der Lage ist, die Verantwortung zu übernehmen und ob die etablierten Prozesse auch ohne die Anwesenheit der Unternehmensspitze funktionieren. Solche Übungen decken Schwachstellen in der Stellvertreterregelung und in den vordefinierten Kompetenzen gnadenlos auf.

Realistische Krisenstabsübung in der Schweiz, die den Ausfall der Geschäftsleitung simuliert

Die Durchführung solcher anspruchsvollen Übungen sollte unter möglichst realistischen Bedingungen stattfinden. Swiss Infosec bietet beispielsweise intensive Übungen an, die Organisationen auf „Herz und Nieren“ prüfen. Dabei werden Teams unter Zeitdruck und erschwerten Bedingungen mit Aufgaben konfrontiert, wie sie im Notfall tatsächlich auftreten.

Fallstudie: Swiss Infosec 20-Stunden-Krisenübung

In einer 20-stündigen Übung werden Krisenorganisationen extremen Belastungen ausgesetzt. Die Durchführung an aussergewöhnlichen Orten wie alten Festungen oder abgelegenen Berghäusern erhöht den Realismus und den Stressfaktor. Teams müssen unter erschwerten Bedingungen Aufgaben lösen, die ihre Resilienz und die Funktionsfähigkeit ihrer Prozesse ohne die übliche Unterstützung testen.

Die Frequenz solcher Übungen ist entscheidend. Einmal pro Jahr sollte eine umfassende Stabsübung stattfinden, die mindestens ein Szenario mit dem Ausfall der Geschäftsleitung beinhaltet. Kleinere Übungen (Table-Top-Szenarien) sollten quartalsweise durchgeführt werden, um die Prozesse frisch zu halten. Nur durch konstantes Training wird aus einem Plan eine gelebte Fähigkeit.

Wie strukturieren Sie Verantwortlichkeiten im Sicherheitsmanagement, wenn Ressourcen knapp sind?

Ein voll ausgestatteter Krisenstab mit dedizierten Vollzeit-Experten ist ein Luxus, den sich vor allem Grosskonzerne leisten können. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, stellt sich die Frage, wie man mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen ein effektives Sicherheits- und Krisenmanagement aufbauen kann. Die Lösung liegt nicht darin, auf Sicherheit zu verzichten, sondern in intelligenten, pragmatischen und oft kollaborativen Modellen.

Der erste Schritt ist die Schaffung einer klaren Verantwortlichkeit, auch wenn dies keine Vollzeitstelle rechtfertigt. Die Ernennung eines Sicherheitsbeauftragten (SiBe) im Nebenamt ist ein bewährtes Modell. Diese Person, oft aus dem Finanz- oder Personalbereich, wird spezifisch geschult und dient als zentrale Anlaufstelle für alle Sicherheitsfragen. Sie ist verantwortlich für die Koordination der Präventionsmassnahmen und die Einberufung des Krisenstabs im Ereignisfall. Diese Doppelrolle erfordert eine klare Definition der Aufgaben und die Zuweisung ausreichender Zeitressourcen.

Wo interne Ressourcen fehlen, muss auf externe und kooperative Strukturen zurückgegriffen werden. Eine ressourcenschonende Strategie ist das Ressourcen-Pooling, bei dem sich mehrere KMU zusammenschliessen, um Kosten für Schulungen, Übungen oder sogar externe Experten zu teilen. Branchenverbände wie Swissmem oder HotellerieSuisse bieten hier oft Unterstützung. Zudem stellen die kantonalen Behörden (z.B. Bevölkerungsschutz, Gebäudeversicherungen) wertvolle Vorlagen und Beratungsangebote zur Verfügung, die oft kostenlos sind. Für hochspezialisierte Aufgaben wie IT-Forensik oder Krisen-PR ist es für ein KMU sinnvoller, Experten auf Mandatsbasis an sich zu binden, anstatt diese Kompetenzen intern aufzubauen.

Die folgende Tabelle zeigt verschiedene Strategien zur Ressourcenoptimierung im KMU-Krisenmanagement, wie sie von Institutionen wie dem Safety Center empfohlen werden, um eine effektive aber schlanke Struktur zu schaffen.

Ressourcenoptimierung im KMU-Krisenmanagement
Strategie Umsetzung Kosten Effektivität
Sicherheitsbeauftragter im Nebenamt Doppelrolle Finanzen & Sicherheit Niedrig Mittel
Ressourcen-Pooling Kooperation mit anderen KMU Geteilt Hoch
Kantonale Strukturen Nutzung Bevölkerungsschutz Minimal Mittel
Externe Mandate Experten auf Abruf Variabel Sehr hoch

Transparenz oder Schweigen: Was sagen Sie Ihren Kunden, wenn deren Daten verschlüsselt sind?

Ein Ransomware-Angriff ist eines der kritischsten Szenarien für jedes Unternehmen. Die Systeme stehen still, der Betrieb ist lahmgelegt und – am schlimmsten – sensible Kundendaten sind verschlüsselt und möglicherweise entwendet worden. In dieser Situation stehen Sie vor einer fundamentalen Entscheidung: Kommunizieren Sie proaktiv und transparent mit Ihren Kunden oder versuchen Sie, den Vorfall unter den Teppich zu kehren, in der Hoffnung, ihn intern zu lösen? Die Antwort ist aus rechtlicher, ethischer und wirtschaftlicher Sicht eindeutig: radikale Transparenz ist der einzig gangbare Weg.

Das Zögern vieler Unternehmen ist verständlich. Man fürchtet Reputationsverlust, Kundenabwanderung und rechtliche Konsequenzen. Doch die Risiken des Schweigens sind weitaus grösser. Wenn der Datenabfluss durch Dritte bekannt wird – und das wird er in der Regel –, ist der Vertrauensverlust total und irreparabel. In der Schweiz wurde die rechtliche Lage zudem verschärft. Mit dem neuen Datenschutzgesetz (nDSG), das seit September 2023 in Kraft ist, besteht eine gesetzliche Meldepflicht gegenüber dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), wenn eine Datenpanne voraussichtlich zu einem hohen Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Personen führt. Für Betreiber kritischer Infrastrukturen (z.B. im Energie-, Gesundheits- oder Finanzsektor) gilt zusätzlich eine Meldepflicht für Cyberangriffe an das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC).

Angesichts der Tatsache, dass laut einer Studie von SwissCybersecurity.net 35% der Schweizer CEOs Cyberrisiken als Top-Bedrohung sehen, ist eine vorbereitete Kommunikationsstrategie unerlässlich. Ihre Kunden haben ein Recht darauf zu erfahren, dass ihre Daten kompromittiert wurden. Eine proaktive Kommunikation ermöglicht es ihnen, Schutzmassnahmen zu ergreifen (z.B. Passwörter ändern). Ihre Nachricht sollte klar, ehrlich und frei von technischem Jargon sein. Erklären Sie, was passiert ist, welche Daten betroffen sind, welche Massnahmen Sie ergreifen und wo die Kunden Hilfe erhalten. Dies mag kurzfristig schmerzhaft sein, ist aber die einzige Möglichkeit, langfristig Vertrauen wiederherzustellen.

Das Dilemma der Lösegeldzahlung bleibt eine der schwierigsten Entscheidungen. Während die Schweizer Behörden offiziell davon abraten, um die Geschäftsmodelle der Kriminellen nicht zu unterstützen, decken einige Cyber-Versicherungen solche Zahlungen. Dies ist jedoch mit erheblichen rechtlichen und ethischen Bedenken verbunden und garantiert keinesfalls die Wiederherstellung der Daten.

Das Wichtigste in Kürze

  • System vor Held: Ein disziplinierter Krisenstabsleiter ist effektiver als ein operativ tätiger CEO.
  • Analog schlägt digital: Ein auf Stromausfall vorbereiteter, analoger Krisenraum ist Ihre ultimative Versicherung.
  • Prozess vor Panik: Eine trainierte Entscheidungsmethodik (z.B. Führungsrhythmus, FOR-DEC) ist der beste Schutz vor irrationalen Reaktionen.

Wie schreiben Sie BCM-Notfallpläne, die Mitarbeiter im Stress tatsächlich lesen und verstehen?

Die meisten Notfallpläne und Business-Continuity-Management-Dokumente (BCM) teilen ein trauriges Schicksal: Sie verstauben als dicke Ordner im Regal oder als unauffindbare PDF-Dateien auf einem Server. Im Ernstfall, unter massivem Stress und Zeitdruck, sind diese umfassenden Handbücher nutzlos. Niemand hat die Zeit oder die kognitive Kapazität, 100 Seiten Prosa zu lesen, um eine konkrete Handlungsanweisung zu finden. Ein Notfallplan, der im Stress nicht intuitiv nutzbar ist, ist wertlos. Der Schlüssel zu effektiven Plänen liegt in der radikalen Vereinfachung und Visualisierung.

Moderne Ansätze ersetzen starre Handbücher durch flexible, rollenbasierte Werkzeuge. Die Praxis zeigt, dass sogenannte „Action Cards“ oder Checklisten im A5-Format weitaus effektiver sind. Jede Karte ist auf eine spezifische Rolle (z.B. Krisenstabsleiter, Kommunikationsverantwortlicher) oder ein spezifisches Szenario (z.B. Stromausfall, IT-Ausfall) zugeschnitten und enthält maximal 10 klare, handlungsorientierte Checkpunkte. Der Fokus liegt auf dem „Was ist jetzt zu tun?“ anstatt auf dem „Warum?“.

Visuelle Elemente sind entscheidend, da sie vom Gehirn unter Stress schneller verarbeitet werden als Text. Ein klares Farbsystem (z.B. Rot für Sofortmassnahmen, Gelb für Checklisten, Blau für Kontaktinformationen), Piktogramme und simple Flussdiagramme erhöhen die Verständlichkeit massiv. In der mehrsprachigen Schweiz ist es zudem zwingend, diese Dokumente von vornherein in den benötigten Sprachen (DE, FR, IT) zu erstellen und nicht erst im Notfall eine Übersetzung zu versuchen. Die Pläne müssen sowohl digital – idealerweise in einer Cloud-Lösung auf Schweizer Servern mit Offline-Synchronisation – als auch physisch als laminierte Karten für stromlose Szenarien verfügbar sein.

Aktionsplan zur Prüfung Ihrer Notfallpläne

  1. Verständlichkeit prüfen: Geben Sie einem unbeteiligten Mitarbeiter eine Action Card. Kann er die ersten drei Schritte ohne Rückfragen innerhalb von 60 Sekunden erklären?
  2. Auffindbarkeit testen: Simulieren Sie einen IT-Ausfall um 03:00 Uhr morgens. Wie lange benötigt ein alarmiertes Krisenstabsmitglied, um die physisch laminierten Notfallkarten zu finden?
  3. Aktualität kontrollieren: Überprüfen Sie alle Kontaktlisten. Sind die Telefonnummern (Festnetz und mobil) und Stellvertreter noch korrekt? Wann wurde die Liste zuletzt validiert?
  4. Rollenklarheit auditieren: Konfrontieren Sie zwei Personen mit überlappenden Zuständigkeiten mit einem Szenario. Gibt es einen Kompetenzkonflikt oder ist die Eskalationsstufe klar definiert?
  5. Redundanz sicherstellen: Ist jeder Notfallplan sowohl digital mit Offline-Sync als auch in laminierter, physischer Form an mindestens zwei geografisch getrennten Orten verfügbar?

Die Qualität Ihrer Notfallpläne misst sich nicht an ihrem Umfang, sondern an ihrer Anwendbarkeit im schlimmsten Moment. Transformieren Sie Ihre Handbücher in präzise, visuelle Einsatzwerkzeuge.

Häufig gestellte Fragen zum Krisenmanagement in der Schweiz

Wann muss eine Datenpanne dem EDÖB gemeldet werden?

Seit der Einführung des neuen Datenschutzgesetzes (nDSG) im September 2023 besteht eine gesetzliche Pflicht, Datenpannen „so rasch wie möglich“ dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) zu melden. Diese Pflicht greift, wenn die Panne voraussichtlich ein hohes Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Personen zur Folge hat.

Welche Unternehmen müssen Cyberangriffe dem NCSC melden?

Betreiber von kritischen Infrastrukturen sind seit 2023 gesetzlich verpflichtet, Cyberangriffe an das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) zu melden. Dazu gehören unter anderem Unternehmen aus den Sektoren Energieversorgung, Gesundheitswesen, Finanzmarkt, Telekommunikation und Behörden auf allen föderalen Ebenen.

Ist die Zahlung von Lösegeld in der Schweiz erlaubt?

Die Schweizer Behörden, einschliesslich des NCSC und der Strafverfolgungsbehörden, lehnen Lösegeldzahlungen grundsätzlich ab. Sie argumentieren, dass Zahlungen das Geschäftsmodell der Kriminellen finanzieren und keine Garantie für die Wiederherstellung der Daten bieten. Obwohl die Zahlung selbst nicht explizit illegal ist, kann sie rechtliche und ethische Probleme aufwerfen. Einige Cyber-Versicherungen decken Lösegeldzahlungen unter bestimmten Umständen ab, was jedoch eine komplexe Einzelfallprüfung erfordert.

Geschrieben von Corinne Aebischer, Expertin für Business Continuity Management (BCM) und Krisenkommunikation. Langjährige Erfahrung im Aufbau von Notfallstäben und der Durchführung von Krisensimulationen für Schweizer Dienstleister. Fokus auf den Faktor Mensch in der Krise.